PETER PILLER

"LEISTUNGSSCHAU"
03.09.-06.11.2010

"Eine Leistungsschau platzt vor Stolz und hat womöglich nur etwas zu bieten, das einen kleinen
Kreis von Menschen interessiert, während sich der große Rest kopfschüttelnd abwendet.
Künstlerische Leistung kann durch hartes Training oder durch Ausschlafen erbracht werden."

Peter Piller

In der ersten Dia-Projektion innerhalb seines Werkes mit dem Titel KRAFT zeigt uns Peter Piller
in 40 verschiedenen Ansichten, wie er auf dem Weg zu seiner Arbeit mit dem Auto von Hamburg
nach Leipzig und retour an der immer gleichen Stelle während der Fahrt mit der Kamera versucht,
das riesige Logo eines deutschen Lebensmittelherstellers zu fotografieren. Obwohl am
gleichen Ort aufgenommen, unterscheiden sich die Bilder zum Teil eklatant, der Zufall führt Regie
durch die handgehaltene Kamera ebenso wie die Tages- oder Jahreszeit, die Geschwindigkeit
des Fahrzeugs oder die Wahrnehmungsverzögerung des Autors. KRAFT wird in der
Bildsequenz und durch kurze Zeittaktung der Diaprojektion zu einem suggestiven wie
kontextlosen Begriff, der Akt des Fotografierens wird zum Ritual, erst in der Bildauswahl tritt für
Peter Piller er selbst als autonom handelnde Person wieder auf.

In den 21 Pigment-Drucken von HINTERGRUNDFARBE richtet sich das Interesse Peter Pillers,
ansatz-weise ähnlich wie in KRAFT, auf einen bestimmten Moment, welcher als reales Bild im
live-stream einer sex-webcam von sehr kurzer Dauer ist und nur durch die technische Fixierung
eines Standbildes vom Künstler sichtbar gemacht wird. Bei sex- oder porno-cams im Internet
wird, nach der ersten Kontaktaufnahme zwischen Kunde und Dienstleister(in) von der jeweiligen
Dame das outfit gewechselt. Für manchmal nur Bruchteile von Sekunden wird der chat-room als
Raum erkennbar, bevor die betreffende Person ins Bild zurückkehrt. Die in der Galerie installierten
Drucke zeigen mehr oder wenige grelle Farbflächen, die in groben Pixeln hier und da auch
Raumdetails erkennen lassen. Peter Piller hat damit in seiner ursprünglichen Fragestellung nach
den Architekturen der chat-rooms die Antwort in fast abstrakten Farbflächen gefunden, die zu
visuellen Synonymen der räumlichen Nicht-Information werden.

Die Suche nach dem persönlichen Glück oder die Wunsch-Erfüllung als Phänomen stellt Peter in
Piller in der dritten neuen Werkgruppe KÄLTESENDUNG dar. Über Jahre gesammelte Weihnachts-
und Neujahrspostkarten aus mehreren Jahrzehnten, die alle in schwarzweiss tiefverschneite
Tannen und Winterwälder zeigen, wurden von Piller gescannt und als vergrösserte
Pigment-Drucke in Gruppen an der Wand arrangiert. KÄLTESENDUNG als serielle Installation
dieser mehr oder weniger idealtypischen Winterklischees zeigt so die gesamte Bandbreite der
Bildsymbolik, von der menschenfeindlichen, tiefgefrorenen Waldlandschaft zu den - nicht
sichtbaren - guten Wünschen für das kommende Jahr.

Der von Peter Piller auf zehn einfachen Tischen präsentierte Werkblock
A40 BOCHUM DÜCKERWEG zeigt zum ersten mal als Rauminstallation das Ergebnis seiner
mehrmonatigen Recherche mit den Freizeit-Beschäftigungen und Lebensformen der unmittelbaren
Anwohner eines Teilstückes der Ruhrgebiet-Autobahn A40 in Bochum. Piller fotografierte
und zeichnete sowohl in und um einen Kleingartenverein herum auf der nördlichen Seite der
Lärmschutzwand der Autobahn, ebenso wie auf dem Gelände des grössten deutschen Auto-
Tuning-Centers direkt gegenüber auf der südlichen Seite der A40.

Im Zusammenhang mit dem Ausstellungsprojekt "A40/B1 - Die Schönheit der grossen Strasse",
wo von Juni bis August an verschiedenen Orten entlang der A40 Arbeiten von 18 Künstlern
gezeigt wurden, stellte Piller die von ihm ausgewählten Bilder in Form von grossformatigen
Plakatwänden und Wandtafeln am Entstehungsort aus. Die Bilder aus dem Kleingarten-Kontext
wurden aber auf dem Gelände des Auto-Tuners gezeigt, die Bilder von dort entlang des Garten-
Vereins und der Lärmschutzwand gehängt. So zeigte Piller durch seine Installation den
Anwohnern die jeweils gegenüberliegende, unbekannte Welt.

In der Galerie hat Piller nun die komplette Arbeit in Form von 42 kleinformatigen Color-Fotografien
und 14 A4-grossen Tusche- und Bleistift-Zeichnungen, entsprechend der realen
Entstehungssituation, auf jeweils fünf gegenüber stehenden Tischen aufgebaut, die mittig durch
eine Wand getrennt werden. Wie selbstverständlich kommunizieren die Zeichnungen, die – im
Stile früherer "Erinnerungszeichnungen" von Peter Piller – Topographisches mit Assoziiertem
verbinden, mit den meist subtilen Detailbeobachtungen der Fotografien.


PETER PILLER

NIMMT SCHADEN (2007) / WAREHOUSE
03.09.-06.11.2010


Im WAREHOUSE an der Bonner Str. 488 findet parallel und zeitgleich zur Galerieausstellung von
Peter Piller die erste komplette Präsentation seines aus dem Jahre 2007 stammenden
Werkblockes NIMMT SCHADEN statt.

Als Folge des von der Baloise-Versicherungsgruppe 2006 auf der Art Basel an Piller verliehenen
BALOISE-Art Awards wurde der Künstler eingeladen, das Schadens-Bildsarchiv der Versicherung
zu sichten. Piller wählte 60 Motive nach für ihn typischen Auswahlkriterien aus, welche im
besten Sinne einen Schaden oft nicht offensichtlich werden lassen, sondern zwischen fotografischer
Schönheit und konzeptuellen Bildrätseln hin- und herpendeln. Gleichzeitig deckt Piller
dabei den Perfektionswahn einer saturierten mitteleuropäischen Gesellschaft auf humorvolle
Weise auf.

Zu A40 BOCHUM DÜCKERWEG ist in der Reihe ARCHIV PETER PILLER MATERIALIEN eine
Publikation mit 48 Abbildungen bei Nieves erschienen.